2008
Der Bruder meiner Großmutter wuchs in Oberwart auf. Oberwart war vor 1921 ein Teil von Westungarn. Die Familie meiner Großmutter gehörte zu der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe. In der Schule lernten die Kinder zu dieser Zeit Ungarisch. Der Onkel war gelernter Goldschmied.
Er schrieb an seine Schwester Ungarisch oder an seine Eltern und seinen Schwager, die nicht Ungarisch konnten, eine Art lautsprachig umgesetztes Deutsch.
Die Personen auf den Fotos waren meistens auch aus dem Burgenland und aus dem näheren und weiteren Bekanntenkreis der Familie.
Während meiner Tätigkeit in Portugal von 1985 – 1989 gab es einen intensiven Briefwechsel zwischen mir und meinen Eltern. Die Fotos, die diesen Briefen oft beigelegt wurden, sollten etwas von dem Lebensgefühl vermitteln, eine Stimmung, eine Atmosphäre.
Meine Eltern schrieben mir von ihrem Leben in Österreich. Sie berichteten über das Wetter und kommentierten die österreichische Innenpolitik, die damals von zwei Themen beherrscht wurde: der Waldheim-Affäre und dem Weinskandal. Mein Vater fotografierte leidenschaftlich gern. Seit den 70er Jahren benutzte er ein „Databack“, mit dessen Hilfe man das aktuelle Datum manuell einstellen und in das Bild einblenden konnte. Diese Bilder mit Datum waren so etwas wie „Beweise“, zum Beispiel für einen heftigen Wintereinbruch im März, den eisfreien Neusiedlersee im Januar oder für eine Rede Waldheims nach dem Abschlussbericht der „Historikerkommission“ im Februar 1988.
Das in den 70er Jahren gekaufte „Data Back“ war Ende der 80er Jahre schon lange technisch veraltet. Das letzte Jahr, das man auf diese Art einblenden konnte, wäre 1989 gewesen, das Jahr in dem mein Vater gestorben ist.